Marketing und Vertrieb müssen sich im Verlag neu aufstellen

Wo finden sich die größten Wachstumspotenziale eines Unternehmens – ist es ratsam, sich in Richtung Neukundengewinnung oder Stammkundenbindung zu orientieren? Dieser Frage haben sich gleich mehrere renommierte Autoren aus Wissenschaft und Unternehmenspraxis angenommen. Dabei herausgekommen ist das gemeinschaftliche Buch „Stammkundenbindung versus Neukundengewinnung – Marketing und Vertrieb im Spannungsfeld von Hunting und Farming“. Mit von der Partie ist auch Thomas Breyer-Mayländer. In seinem Beitrag beschäftigt sich der Wirtschaftswissenschaftler mit dem Zusammenspiel zwischen Marketing und Vertrieb am Beispiel des Verlagswesens.

Herr Prof. Breyer-Mayländer, warum lohnt es sich für Medienhäuser, neu über das Verhältnis von Marketing und Vertrieb nachzudenken?

Traditionell hatten wir im Verlagssektor bei den markt- und kundenbezogenen Funktionen eine klare Aufgabentrennung. Für die inhaltliche Produktkonzeption war allein die Redaktion zuständig, das Marketing koordinierte meist nur Kommunikationsmaßnahmen im Vertriebs- und Anzeigenmarkt und der Vertrieb war lediglich für den Lesermarkt zuständig. In den veränderten Märkten mit einem wesentlich höheren Abstimmungsbedarf münden viele der Funktionen in ein Audience- und Recommendation-Management. Und, ganz ehrlich, das Kernthema des Herausgeberbands, die historisch oft gepflegte Benachteiligung der Stammkunden gegenüber den Neukunden, ist im Pressesektor schon lange in der Verlagspraxis als Problem erkannt worden.

Aber passiert ist wenig, oder?

Das sehe ich nicht so negativ. Inzwischen gehen Verlage unterschiedlicher Größenordnungen das Thema sehr offensiv an und haben ihre Abteilungen und Organisationsstrukturen umgebaut.

Ein Blick in die Zukunft: Wo geht es mittel- und langfristig in Marketing und Vertrieb in den Verlagen hin?

Wir werden immer wieder neu über Inside-out und Outside-in nachdenken müssen. Welche Themen sind in einem Digital-Loop im Regelkreis und dienen damit der Optimierung des Produkts im Hinblick auf bestehende Erwartungen? Wo ist der Raum für ein Projekt, bei dem die Nutzerschaft mit einer – beispielsweise inhaltlichen oder technischen – Sprunginnovation überrascht wird, die aus dem Verlag heraus als Innovationsidee entsteht und dann sehr getestet und auf den Markt gebracht wird? Wir brauchen in den Verlagen den Mut, beide Richtungen im Marketing und Vertrieb zuzulassen. Das gilt sowohl für Print- als auch für Digitalangebote. Es geht auch darum, die publizistische Aufgabe unter den Rahmenbedingungen eines immer kostenintensiveren Logistikbereichs auch als Vertriebs- und Marketingaufgabe im Blick zu behalten.

Gibt es eine zentrale Botschaft, die Sie dem Leser mit Ihrem Beitrag mitteilen wollen? 

Setzen Sie sich datenbasiert auf die Spur der Kundschaft. Wer sich über die Customer-Journey klar ist, entlang der eigenen Kommunikations- und Vertriebsmaßnahmen die Daten im Blick behält und bereit ist, die eigenen Produkte und Maßnahmen ständig zu optimieren, ist auf dem richtigen Weg. Dass dies in die Gesamtstrategie und auch in die Unternehmens- und Führungskultur des Verlags eingebettet sein muss, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Für welche Zielgruppe ist das Buch gedacht?

Das Buch richtet sich an alle, die beim Thema Kundenbindung und Neukundenakquise Impulse aufnehmen wollen. Für die Praktiker aus den Verlagen sind vielleicht vor allem die Impulse aus anderen Branchen inspirierend. Darüber hinaus können aber auch diejenigen, die nicht ganz so dicht an den Themen des Kundenmanagements dran sind, weil sie aus übergeordneter Verantwortung, als Funktionsfremde oder Lernende – zum Beispiel Azubis – auf das Thema schauen, davon profitieren.

Das Buch „Stammkundenbindung versus Neukundengewinnung – Marketing und Vertrieb im Spannungsfeld von Hunting und Farming“ wurde von A. Krämer, R. Kalka und W. Merkle herausgegeben, ist im Springer Gabler-Verlag mit der ISBN 978-3-658-40363-8 erschienen. Es kostet 59,99 Euro.