Gastbeitrag aus den USA: Wenn die Tageszeitung nicht mehr täglich kommt

In den USA ersetzen immer mehr Tageszeitungen ihre Printausgaben durch E-Paper

Fast die Hälfte der 100 größten amerikanischen Tageszeitungen, die größtenteils vor drei Jahren noch sieben Mal in der Woche in gedruckter Form ausgeliefert wurden, haben ihre Printerscheinungstage um mindesten einen Tag pro Woche reduziert. Grund ist der enorme Kostendruck: Inflationäre Papierkosten, Zustellermangel und lückenhafte Auslieferungsrouten machen die Auslieferung der Printausgabe immer teurer. Mit iPads, Quizzen und Sport am Vortag versuchen die Publisher aus Print-Lesern Nutzer von E-Papern zu machen – mit Erfolg, wie diese drei Beispiele zeigen.

Gannett: Samstag ist Digitaltag

Die Zeitungsgruppe Gannett mit dem Flaggschiff-Titel USA Today und mehr als 400 Lokalzeitungen ist besonders bestrebt den Kostenfaktor Print konzernweit zu senken, ohne dabei die immer noch sehr relevanten Einnahmen aus Print zu verlieren. Denn noch erzielt die Verlagsgruppe 1,2 Milliarden Dollar Jahresumsatz mit Printabos verglichen mit nur 101 Millionen Dollar mit Digitalabos. 2022 konnte Gannett im Durchschnitt jede zehnte Zeitungsausgabe mangels Boten nicht mehr ausliefern. Gannett trat die Flucht nach vorne an: Fast alle Gannett-Tageszeitungen verloren seit 2022 bei gleichbleibenden Abopreisen einen gedruckten Tag in der Woche, und zwar fast überall die Samstagsausgabe, die bei US-Zeitungen traditionell am dünnsten und anzeigenärmsten ist. „Nur eine Handvoll unserer Titel wird bei sieben Mal in der Woche bleiben”, so Amalie Nash, die bei Gannett die Bereiche Lokalzeitungen und Audience Development verantwortet. Vorsichtiger will Gannett nur in seinen Verbreitungsgebieten in Arizona und Florida vorgehen, denn dort sind die Abonnenten am ältesten und stehen dem digitalen Wandel am skeptischsten gegenüber. 

Das E-Paper ist bei Gannett ein zentrales Bindeglied zwischen Print- und Digitalabo, denn auch in den USA sind Printabonnenten im Durchschnitt älter als Digitalabonnenten. Um den Verlust des gedruckten Sportteils am Samstag positiv aufzuladen, wurde im Rahmen einer „Digital Saturday”-Initiative verstärkt darauf hingewiesen, dass die E-Paper-Ausgabe für den Samstag schon am Freitagabend erhältlich ist und mehr aktuelle Berichte zu Politik- und Sport enthält. Das zielt vor allem auf Printabonnenten ab, welche die zahlreichen Sportevents, die freitags abends stattfinden, nachlesen und dabei Konflikte darüber vermeiden wollen, wer am Samstagmorgen das E-Paper beim Frühstück lesen darf. Außerdem kooperiert Gannett mit einigen Stadtbüchereien um Lesern zu zeigen, wie sie E-Paper-Ausgaben herunterladen können. Laut Nash führte die „Digital Saturday”-Initiative zu einer 140-prozentigen Steigerung der E-Paper-Nutzung und einer kaum nennenswerten Zahl von Abokündigungen.

Arkansas Democrat Gazette: Kaum Abokündigungen dank kostenfreier iPads

Die Tageszeitung Arkansas Democrat Gazette (ADG, tägliche Auflage rund 190.000, sonntags 280.000) in Little Rock, der Hauptstadt des Bundesstaates Arkansas, erscheint schon seit Anfang 2018 nur noch einmal in der Woche gedruckt. Wochentags wurde die Printausgabe durch E-Paper ersetzt, die mit Links zu Bildergalerien und Videos angereichert wurden. Die ungleich profitablere gedruckte Sonntagsausgabe mit dem dicken Anzeigenteil blieb erhalten und auch der Abopreis von 34 Dollar monatlich blieb unverändert. Sowohl ehemalige Printabonnenten als auch Neuabonnenten erhalten auf Wunsch ein kostenfreies iPad, das solange behalten warden darf, bis das Abo gekündigt wird.

Die Geräte werden nicht einfach kommentarlos verschickt. Abonnenten bekommen daheim von einem Mitarbeiter eine persönliche Einweisung in dem Umgang mit dem Tablet. „Einen solchen Kundenservice gibt es sonst nirgendwo mehr in Amerika, das erzeugt bei unseren Abonnenten von vornherein eine Menge Goodwill”, betont Verleger Walter Hussman, der ADG und einige weitere kleinere Tageszeitungen in seinem familiengeführten Unternehmen WEHCO Media herausgibt.

Laut einer Datenanalyse der Local News Initiative am Medill-Institut in Chicago betrug die Abokündigungsrate bei ADG in den vergangenen drei Jahren nur ein Prozent pro Monat – weit unter der üblichen branchentypischen Bandbreite von drei bis zehn Prozent monatlich. Außerdem hat sich laut der Studie bei den E-Paper-Nutzern die Zeitspanne, in der sich die Nutzer täglich mit den ADG-Inhalten beschäftigen, vervierfacht bis verfünffacht. Das gilt allerdings nur für die Nutzer, die vom Verlag ein iPad bekamen, und nicht für diejenigen, die mit eigenen Laptops oder Tablets das E-Paper lesen. Verleger Hussman glaubt, dass der Unterschied an der Einweisung in das Gerät liegt. Die Service-Mitarbeiter zeigen den Nutzern gezielt, wie sie nicht nur traditionelle Zeitungsseiten lesen sondern auch die zusätzlichen interaktiven Inhalte wie Videos und Kreuzworträtsel nutzen können.

Insgesamt halten laut der Medill-Untersuchung 75 Prozent der ursprünglichen Zeitungsbezieher aus der Zeit vor der Umstellung auf iPads dem Blatt auch heute noch die Treue. Wenn die Kündigungsrate auf diesem niedrigen Level bleibt, kann ADG mit einer durchschnittlichen Customer Journey von rund acht Jahren rechnen, das heißt, die Zeitung zieht acht Jahre lang Printaboumsätze aus jedem Abonnenten ohne die Kosten von Print dagegen aufrechnen zu müssen. Zu Buche schlagen nur die Kosten der iPads (rund 300 Dollar pro Gerät) und der Schulungen (knapp 100 Dollar pro Abonnent).

Tampa Bay Times: Mehr Aktualität im E-Paper ohne Printzyklus

Die Tampa Bay Times (TBT, gedruckte Mittwochsauflage 102.000) gehört dem Poynter Institute for Media Studies in St. Petersburg in Florida und ihr Geschäftsmodell ist non-profit. Neben zahlreichen weiteren Sparmaßnahmen strich die Zeitung fünf Printtage und erscheint jetzt nur noch mittwochs und sonntags gedruckt. Um die fehlenden Printausgaben zu ersetzen, reicherte TBT seine E-Paper-Ausgaben mit mehr aktuellen Politik- und Sportbeiträge an. „Wir haben früher E-Paper als Brückenprodukt betrachtet, aber inzwischen ist klar, dass unser E-Paper in der neuen verbesserten Form wohl noch lange Bestand haben wird”, so TBT-CEO Conan Gallaty in einem Interview mit der Local News Initiative.

Darüber hinaus veränderte TBT die redaktionelle Strategie für die beiden verbleibenden Printausgaben – weg von der tagesaktuellen Berichterstattung, hin zu mehr langlebigen Magazinbeiträgen. „Man findet in unserer Sonntagsausgabe jetzt kaum noch Berichte darüber, was am Samstag passiert ist”, betont Gallaty. TBT verweist beständig auf die Vorzüge von Print. „Unsere Sonntagsausgabe ist voll mit Eigenanzeigen für das E-Paper. Man muss den Leuten das E-Paper immer wieder vor die Nase setzen. Wenn sie es erst einmal lesen, mögen sie es fast ausnahmslos”, sagt Gallaty.