Verlangsamtes Digital-Wachstum setzt Verlage unter Druck

Beim Medienhaus/NEXT/ 2024 nutzten rund 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gelegenheit, sich im Frankfurter F.A.Z.-Tower über aktuelle Trends und erfolgreiche Strategien für Abonnement-Geschäft und Kundenbindung auszutauschen. Eine wichtige Erkenntnis: Print wird nach Einschätzung der Digital- und Verlagsexperten noch bis 2030 und darüber hinaus eine tragende Rolle bei den Erlösen spielen.

„Wir brauchen Print ganz dringend und ganz lange, um auch Investitionsspielräume für moderne, digitale Infrastruktur zu schaffen“, stellte der F.A.Z.-Geschäftsführer Dr. Volker Breid gleich bei der Eröffnung des Medienhaus/NEXT/ klar. Angesichts eines recht plötzlich stagnierenden digitalen Wachstums, das auch von ZEIT-Online-Geschäftsführer Enrique Tarragona bestätigt wurde, stehen die Medienhäuser aktuell unter wachsendem wirtschaftlichen Druck. Zusätzlich kommt in den letzten Monaten weniger Traffic über Social Media und über Suchmaschinen auf die Seite, wie Carsten Knop, Herausgeber der F.A.Z., erklärt. Lösungsmöglichkeiten sieht er unter anderem in echter Innovation und deutlich mehr Kooperation – auch im Vertrieb. „Unsere Verlage werden es alleine nicht schaffen“, warnte er.

  • Auch die ZEIT, die mit Z+ lange „auf der perfekten Welle“ ritt, ist mit neuen Herausforderungen konfrontiert, wie Enrique Tarragona aufzeigte. Dazu gehören:
  • Verlust von Werbeattraktivität durch abnehmende Targeting-Möglichkeiten
  • Reichweiten- und Bedeutungsverlust aufgrund zunehmender »News-Fatigue«
  • Reichweitenverlust aufgrund steigender Plattformnutzung und abnehmendem Referral-Traffic
  • Reichweitenverlust aufgrund der eigenen Pay-Strategie

Mit Qualitätsjournalismus, agilem Arbeiten in interdisziplinären Teams, der Akzeptanz des fortlaufenden Wandels sowie mit Neugier und Zuversicht gelte es, diese Herausforderungen anzugehen. Neue Zielgruppen sollen mittels Verticals und Gamification erreicht werden, was sich zugleich positiv auf die Churn Rate auswirke.

Totgesagte leben länger

Zum Start in die anschließende Diskussionsrunde rund um Transformation und Zukunft, bei der neben Tarragona auch Eva-Maria Bauch, CEO Mediengruppe Oberfranken, und Stefan Hilscher, Vorsitzender des BDZV-Vorstands, teilnahmen, fragte Moderator Prof. Thomas Breyer-Mayländer ein Stimmungsbild zu Print ab.

Das Voting zeigt klar: Print bleibt für die meisten bis 2030 und darüber hinaus relevant. Eva-Maria Bauch kommentierte die Ergebnisse: „Ich bin davon nicht überrascht.“ Print sei auch für die Mediengruppe Oberfranken weiterhin eine hochwirtschaftlich tragende Säule. Enrique Tarragona attestierte sogar, dass Print nie sterben werde, aber natürlich nicht in der jetzigen Größenordnung erhalten bleibe. Und wie sind die Pläne für die Zukunft? Bauch setzt dafür unter anderem auf eine Kultur, die wandlungsfähig ist, aber nur so agil, dass nicht die Linie verloren geht. Stefan Hilscher betonte den Wert der journalistischen Inhalte. Um diese qualitativ hoch zu halten, sei es wichtig, in die Ausbildung zu investieren.

Technologie schafft neue Möglichkeiten

Auch die technische Entwicklung wird die Zukunft der Medienhäuser prägen. So verbindet beispielsweise das Metaverse neue Technologien: Generative KI, Web3-Technologie, Virtual Reality und Augmented Reality verschmelzen darin miteinander. Dadurch können neue Geschäftsbereiche entwickelt werden. „Der Metaverse-Markt wächst rasant, und es ist entscheidend, die richtige Positionierung einzunehmen, um von diesem Trend zu profitieren“, ist Anna Graf von Arvato Systems überzeugt. Sie sieht Chancen bei der Vermarktung von Content, bei der Entwicklung von Loyalty-Programmen und für die eigene Community. Ein Beispiel lieferte Graf mit RTL+. Der Sender hatte begleitend zur Event-Serie „Sisi“ sehr erfolgreich eine limitierte Edition von digitalen Kleidern als Sammlerstücke (NFTs) zum Kauf angeboten. Zeit für den Aufbau einer passenden Strategie bleibt den Verlagen noch. „Fünf Jahre sind eine realistische Kennzahl, bis Metaverse für Verlage finanzielle Relevanz bekommt“, so Anna Graf.

Strategie braucht auch der Einsatz von Videos, wie Klaus Mittmannsgruber, Leitung OÖN-TV, in seinem Vortrag betonte. Er lieferte Einblicke, wie es den Oberösterreichischen Nachrichten gelingt, mit dem Smartphone und geringem personellen Aufwand gute Geschichten in Bewegtbild-Content zu verpacken, um so die Verweildauer auf Artikeln zu erhöhen.

Weitere Impulse lieferten

  • Dr. Tobias Fredebeul-Krein, Chief Subscription Officer & Annemarie Sowa, Digital Marketing Managerin Paywall/Payed Content, beide F.A.Z., mit ihrem Vortrag: Paywall Management und Testing Insights.
  • Luca Gatscher, Head of Subscription & Marketing, Die Presse, mit seinem Beitrag: Retention ist the new growth.
  • sowie das Panel zu Community Building mit Wolfang Rakel und Sophia Fiedler, beide DNV, Christine Fettich und Britta Schönhüttl von der Süddeutschen Zeitung, Catherine Hiller von der FUNKE Mediengruppe und Strategieberater Lennart Schneider.